
Einer der ersten Indizienprozesse der Weimarer Republik, die von 1918 bis 1933 dauerte und in der erstmals eine parlamentarische Demokratie in Deutschland herrschte, war der Doppelmord an Wilhelm Busse und Leopold Werner, die vor über 100 Jahren im Heidelberger Stadtwald einem Raubmörder zum Opfer fielen. Am 27. Juni 1921 war der Herforder Oberbürgermeister Wilhelm Busse, ein 50 Jahre alter Familienvater von 2 Töchtern vom Städtetag in Stuttgart nach Heidelberg gereist. Er hatte sich im Hotel „Ritter“ in Heidelbergs Altstadt einquartiert. Wilhelm Busse, der in Heidelberg Jura studiert hatte, wollte gemeinsam mit dem ehemaligen 41 Jahre alten Herforder Bürgermeister Leonard Werner, der ebenfalls in Heidelberg studiert hatte und nach seinem Ausscheiden wegen schlechter Gesundheit seit 1919 in Heidelberg in der Bergstraße wohnte, das 79. Stiftungsfest der Corps Vandalia Heidelberg, einer Studentenverbindung an der Karls-Ruprecht-Universität besuchen, der beide angehörten. Nachdem sie diese am 29. Juni 1921 besucht hatten, brachen sie gegen 15.30 Uhr zu einer Wanderung auf den Königsstuhl auf, von der sie nicht mehr zurückkehrten. Schon wenige Tage nach ihrem Verschwinden ohne dass deren Leichen gefunden worden waren, geriet der Eisenbahnmitarbeiter Leonhard Siefert aus Ziegelhausen unter Tatverdacht. In der Zwischenzeit durchkämmten über 100 Polizisten den Heidelberger Stadtwald, doch ergebnislos. Erst am 11. Juli 1921 entdeckten zwei Burschen der Studentenverbindung Guestphalia die Leichen der beiden Männer im Heidelberger Stadtwald am Linsenteich-Auweg. Wilhelm Busse war von einem Hinterhalt aus erschossen worden, Leopold Werner hatte noch versucht zu fliehen, wurde aber knapp 80 Meter entfernt erschlagen. Beide waren ausgeraubt worden. Neben Wilhelm Busse wurde eine blutbefleckte Postkarte mit Fingerabdrücken gefunden. Leonhard Siefert hatte dort unweit sein Räuberlager, in dessen Gästezimmer Briefe von Busses Frau an ihren Mann gefunden wurden. Doch Siefert stritt alles energisch ab, weshalb ihm die Staatsanwaltschaft die Tat nicht nachweisen konnte. Darum wurde der 59 Jahre alte Frankfurter Gutachter Georg Popp nach Heidelberg geholt, der Gründer des Institut für gerichtliche Chemie und Mikroskopie in Frankfurt war, um Siefert den Doppelmord nachweisen zu können. Dabei stellte die Postkarte mit den Fingerabdrücken eines der wichtigsten Indizien dar. Diese entstanden, als Siefert Geldscheine aus Busses Portemonnaie entwendet hatte. Dort befand sich auch jene Postkarte, die Siefert beim Stehlen des Bargelds angefasst hatte und die aus dem Geldbeutel geflogen war, so dass sie neben Busses Leiche gelandet war. Außerdem wurden an Sieferts Kleidung Blutflecken und Blutspitzer entdeckt. Anhand des von dem Bakteriologen Paul Uhlen 1901 entwickelten Verfahren, konnte Georg Popp nachweisen, dass es sich bei den Blutflecken eindeutig um menschliches Blut handelte. Diese erklärte Siefert damit, dass die Flecken beim Sex mit seiner Geliebten entstanden worden seien, was entkräftet werden konnte. Auch der Vergleich der Moosarten im Räuberlager sowie die gefundene Flora, die auf Sieferts Anzug klebte, stammte eindeutig vom Tatort. Über 100 Zeugen wurden befragt. Am 16. Januar 1922 begann der Prozess gegen Siefert vor dem Heidelberger Landgericht mit 12 Geschworenen, die ihn nach 6 Verhandlungstagen schuldig sprachen. Bis zuletzt stritt Siefert die Tat ab. Siefert wurde zum Tode durch das Fallbeil verurteilt. Da am 19. Dezember 1921 ein Wärter einen Brief fand, den Siefert aus dem 2. Stock des Heidelberger Altstadt Gefängnisses, auch „Fauler Pelz“ genannt, geworfen hatte, in dem er darum bat, dass der Finder diesen zu seinem Bekannten bringen sollte, der ihm Werkzeug zum Ausbruch ins Gefängnis schmuggeln sollte, wurde Siefert noch in der Nacht wegen Fluchtgefahr nach Bruchsal verlegt. Dort wurde er am 29. Juni 1922 durch die Guillotine hingerichtet. An die beiden ermordeten Bürgermeister erinnern bis heute zwei gravierte Buntsandsteine im Heidelberger Stadtwald, die von einer Studentenverbindung gestiftet worden sind.