
Im Herbst 1957 entdeckte die Welt mit Entsetzen die Gräueltaten eines unscheinbaren Bauern aus dem kleinen Ort Plainfield im US-Bundesstaat Wisconsin. Unter dem unverdächtigen Namen Edward Theodore Gein verbarg sich ein Mann, dessen Taten so abstoßend waren, dass sie die Vorlage für einige der furchterregendsten Figuren in der Geschichte des Horrorfilms lieferten. Doch wer war dieser Mann, den man später als den „Plainfield Ghoul“ bezeichnete? Edward Theodore Gein wurde am 27. August 1906 in La Crosse County im Bundesstaat Wisconsin geboren und wuchs unter der strengen Hand seiner Mutter Augusta auf. Seine Kindheit war geprägt von Isolation und dem religiösen Fanatismus seiner Mutter, die ihn und seinen fünf Jahre älteren Bruder Henry vor der „verdorbenen“ Außenwelt schützen wollte. Augusta, eine glühende Lutheranerin, predigte unermüdlich die Verdorbenheit der Welt und die Sündhaftigkeit aller Frauen außer ihr selbst. Sie las den beiden Brüdern ständig düstere Passagen aus dem Alten Testament vor. Diese Erziehung hinterließ tiefe seelische Narben bei Edward, die sich später in seinen abartigen Taten manifestieren sollten. Augusta war eine dominante Mutter und Ehefrau, die keinerlei Widerworte duldete. Ihr Wort war Gesetz und wer sich ihr widersetzte, der bekam Hiebe. Geins Vater George war ein schwacher und alkoholabhängiger Mann, der es nicht schaffte, die Familie zu ernähren, weshalb Augusta 1906 ein Lebensmittelgeschäft in La Crosse eröffnete. Das Geschäft lief sehr gut, so dass sich die Familie nach einigen Jahren ein abgeschiedenes Haus in La Crosse kaufen konnte. Im Jahr 1914 zog die Familie Gein eine 80 Hektar große Farm unweit von Plainfield, wo der nächste Nachbar erst 500 Meter entfernt wohnte. Ed Gein war ein schüchterner Junge, der die Farm nur verließ, um zur Schule zu gehen. Er war ein regelrechter Bücherwurm, der Abenteuerromane und Fantasiegeschichten liebte. Ed hatte keine Freunde, der völlig isoliert von der Außenwelt lebte. Seine einzige Bezugsperson war seine übermächtige Mutter Augusta. Anno 1940 starb George Gein an einem Herzinfarkt, woraufhin die Verantwortung für das Überleben der Familie auf den Schultern der Brüder lastete. Sie übernahmen verschiedene Gelegenheitsarbeiten. Henry Gein begann, sich gegen die dominierende Mutter zu stellen und äußerte seine Bedenken über Edwards ungesunde Bindung zu ihr. Am 16. Mai 1944 brach nahe dem Gein-Familienhof ein Feuer aus, das Henry und Edward gemeinsam bekämpfen wollten. Am Ende des Tages meldete Edward seinen Bruder als vermisst. Schließlich wurde Henry tot aufgefunden, ohne sichtbare Brandspuren, aber mit verdächtigen Blutergüssen am Kopf. Trotz dieser alarmierenden Merkmale wurde sein Tod als Unfall durch Ersticken verzeichnet. Eine weitergehende Untersuchung fand nicht statt, aber viele vermuteten insgeheim Edward als Täter. Augusta Gein erlitt mehrere Schlaganfälle und starb am 29. Dezember 1945. Ihr Tod bedeutete für Edward den Verlust seines einzigen menschlichen Ankers und er versank in tiefe Einsamkeit und geistige Zerrüttung. Er begann, die Räume, die seine Mutter genutzt hatte, wie Heiligtümer zu verschließen und lebte fortan in nur wenigen Räumen des Hauses, die er mit makabren Sammlungen füllte. Seine Faszination für Leichenkult und gruselige Abenteuergeschichten nahm groteske Ausmaße an. Am 16. November 1957 verschwand Bernice Worden, die Besitzerin eines Eisenwarenladens in Plainfield, spurlos. Ihr Sohn und einige Zeugen erinnerten sich an Edward Gein, der am Abend zuvor angekündigt hatte, am nächsten Morgen wiederzukommen, um Frostschutzmittel zu kaufen. Ein Quittungszettel bestätigte seinen Besuch, und bald richteten sich alle Augen auf Gein. Sheriff Arthur Schley machte sich zur Farm von Ed Gein auf. Doch der 51 Jahre alte Ed schien ausgeflogen zu sein. Dies machte nichts, da der Sheriff einen Durchsuchungsbefehl hatte. Schon beim Betreten der Innenräume der Farm, in der es keinen Strom gab, kam ihm ein übler Gestank entgegen. Im Inneren herrschte völliges Chaos, überall lag Schrott und vergammelte Essensreste herum. Als der Sheriff seine Taschenlampe in der Scheune schwenkte, machte er eine grauenerregende Entdeckungen. Denn Wordens enthaupteter Körper hing dort kopfüber. Sie war ausgeweidet und wie ein erlegtes Wild zur Schau gestellt. Diese Szene war nur der Anfang eines unvorstellbaren Horrors. Beim Durchsuchen des Hauses fanden die Ermittler eine erschreckende Anzahl von Körperteilen und gruseligen Gegenständen. Wenig später fanden sie den Kopf von Worden, den Ed in einen Sack gesteckt hatte. In jedes Ohr von Worden waren Nägel gerammt worden, die mit Bindfäden verbunden waren. Diese Methode benutzten Jäger, um ihre Trophäen zu präparieren. An den Wänden hingen Köpfe von 9 Frauen, die an Jagdtrophäen erinnerten. Außerdem wurden 4 Nasen und 1 Herz sowie eine Suppenschüssel aus Schädeldecken entdeckt. Selbst der Mülleimer, der Sessel und der Lampenschirm waren aus menschlicher Haut gefertigt worden. Im Schrank hing ein Hemd, das aus Haut genäht und vorne mit weiblichen Brüsten verziert war. Darüber hinaus wurden ganze und fragmentierte menschliche Knochen, Masken aus menschlicher Haut, 9 Vulven in einer Schuhschachtel, Schädelfragmente auf Bettpfosten, Organe im Kühlschrank, Lippen an einem Zugband für einen Rollladen, ein Gürtel aus Frauenbrustwarzen und der Kopf von Mary Hogans in einer Papiertüte gefunden. Diese makabren Fundstücke wurden fotografiert und später zerstört, um die Pietät zu wahren. Diese Gegenstände demonstrierten Geins Besessenheit an der menschlichen Anatomie und dem Herstellen von Objekten aus Leichenteilen. In der Zwischenzeit wurde Ed Gein unweit von Plainfield in seinem Ford-Pritschenwagen gefasst, der ins Bezirksgefängnis des Waushara County eingeliefert wurde. In den Vernehmungen gab Gein nicht nur zu im Jahr 1954 die Tavernen-Besitzerin Mary Hogan und 1957 die Eisenwarenladen-Besitzerin Bernice Worden ermordet zu haben, sondern er gab auch zu zwischen 1947 und 1952 bis zu 40 nächtliche Friedhofsbesuche unternommen zu haben, bei denen er frisch beerdigte Frauen exhumierte, die ihn an seine Mutter erinnerten. Er gestand, die Leichen ihrer Haut zu berauben, um daraus seine grausigen Trophäen und Kleidungsstücke zu fertigen. Die Polizei bestätigte Geins Aussagen, als sie mehrere geplünderte Gräber entdeckte. Gein plante sogar, sich eine „Frauenhaut“ zu erstellen, um selbst eine Frau zu werden. Ein absurdes Ritual, das seine verzerrte Psyche offenbarte. Der Hass auf Frauen und gleichzeitig die Sehnsucht nach Weiblichkeit zeigten die tiefen Widersprüche in seinem Charakter. Am 21. November 1957 wurde Gein offiziell wegen Mordes ersten Grades, begangen an Bernice Worden, angeklagt. Aufgrund seines psychischen Zustands wurde er jedoch für verhandlungsunfähig erklärt und in das Central State Hospital for the Criminally Insane eingewiesen. 1968 befanden Ärzte Gein für hinreichend gesund, um ihn vor Gericht zu stellen. Der Prozess begann am 14. November desselben Jahres und dauerte eine Woche. Er wurde des Mordes schuldig gesprochen, jedoch aufgrund seiner Geisteskrankheit in die Obhut einer psychiatrischen Einrichtung überstellt. Edward Gein verbrachte den Rest seines Lebens in einer Nervenheilanstalt, wo er am 26. Juli 1984 an den Folgen seiner Lungenkrebserkrankung starb. Edward Geins abscheuliche Taten und seine kranke Psyche haben tiefe Spuren hinterlassen, sowohl in der Kriminalgeschichte als auch in der Popkultur. Seine Verbrechen inspirierten ikonische Figuren wie Norman Bates aus Alfred Hitchcocks „Psycho“, Leatherface aus „Das Texas Kettensägenmassaker“ und Buffalo Bill aus „Das Schweigen der Lämmer“. Diese fiktiven Mörder spiegeln die tiefen psychologischen Abgründe wider, die Geins echte Verbrechen aufzeigten. Nach Geins Tod blieb die Erinnerung an seine schrecklichen Taten lebendig. Sein Grab wurde immer wieder von Vandalen heimgesucht, bis der Grabstein schließlich gestohlen und erst 2001 nahe Seattle wiedergefunden wurde. Heute befindet er sich in einem Museum in Waushara County. Edward Theodore Gein bleibt eine der verstörenden Figuren der amerikanischen Kriminalgeschichte. Seine Taten sind ein schreckliches Beispiel für die potenziellen Folgen von Missbrauch, Isolation und psychischer Krankheit. Geins Leben und Verbrechen lassen die Frage offen, wieviel menschliche Dunkelheit in einem Einzelnen schlummern kann und erinnern uns daran, dass das Böse oft in gewöhnlichen Fassaden verborgen ist, bereit, sich in monströser Weise zu entfalten.